Annette von Keudell
Vorschau:
Taylor Wessing & Galerie Holthoff
#011 HEIMAT
Vernissage: 16. Oktober 2025
Beteiligung
Vorschau: Februar 2026
GALERIE AHLERS
Göttingen
Einzelausstellung
Übrigens: ich
MULTIPLE BOX HAMBURG
Bis 4. Oktober 2025
Übrigens: ich
Zwischen Präsenz, Identität und digitalem Verschwinden

Was bleibt, wenn der Körper nicht mehr gesehen, sondern berechnet wird? Was verschwindet, wenn Sichtbarkeit zur Bedingung von Existenz wird?
Körper werden nicht abgebildet, sondern befragt. Die Werke zeigen Figuren, die erscheinen, ohne erkannt zu werden. Körper, die sich der systemischen Erfassung entziehen – fragmentiert, verspiegelt, überbelichtet, digitalisiert, entleert. Sie wirken modellhaft oder künstlich, scheinen präsent und sind doch nicht gemeint.
In einer Gegenwart, in der Identität zunehmend indexiert, optimiert oder gelöscht werden kann, formulieren die Arbeiten ein visuelles „Übrigens“ – eine Randbemerkung, die sich einschreibt, ohne sich anzupassen. Manche Bilder sind laut, widerspenstig. Andere bleiben leise – tastend, ambivalent, poetisch.
Sichtbarkeit ist kein neutraler Zustand. Sie ist reguliert, selektiv, verteilt. Die Werke verhandeln genau diese Bedingungen. Sie sprechen vom Verschwinden – nicht als ästhetischer Effekt, sondern als gesellschaftlicher Vorgang.
Und sie zeigen Widerstand: gegen Klassifizierungen, gegen Glättung, gegen das Verschwinden unter dem Deckmantel der Repräsentation. Widerstand bedeutet hier nicht nur Konfrontation, sondern auch das Beharren auf Uneindeutigkeit, das Festhalten an dem, was sich nicht vollständig in Systeme übersetzen lässt.
Gleichzeitig wird der Versuch auszusteigen sichtbar – als anti-surveillance Geste, die das Raster unterläuft. Manche Figuren wirken wie Tarnungen, andere wie Störungen. Sie entziehen sich der maschinellen Logik, indem sie Unschärfen, Spiegelungen oder Überbelichtungen erzeugen. Sie setzen auf die produktive Kraft des Nicht-Erkennbaren. Dieses Aussteigen ist kein vollständiges Verlassen des Systems – es ist vielmehr ein Taktieren am Rand, ein Verschieben der eigenen Lesbarkeit, ein Spiel mit der Möglichkeit, übersehen zu werden.
So entsteht ein Zwischenraum, in dem Körper weder vollständig verfügbar noch gänzlich verschwunden sind. „Übrigens: ich“ ist keine Behauptung, sondern eine Störung. Ein Nachsatz. Eine Lücke im System – und vielleicht der Beginn einer anderen Sichtbarkeit.
Übrigens: ich
Ich war da.
Oder nicht.
Oder falsch erkannt.
Oder mehrfach gespeichert.
Übrigens: ich
kein Profil.
kein Name im System.
nur Bewegungsmuster.
nur vielleicht.
Schatten auf der Oberfläche.
Falsches Geschlecht im Raster.
Abgebrochene Zeile.
Fingerabdruck
Identität als Behauptung.
Sichtbarkeit/ Zumutung.
Verschwinden: ein Vorschlag.
Der Körper, digitalisiert.
Der Körper, deformiert.
Der Körper, gespeichert.
Der Körper -
nicht vorgesehen.
Erkannt: nein
zugeordnet: nicht zutreffend
Verwertet: nicht verfügbar
Übrigens:
nicht angepasst
nicht klassifizierbar
nicht abrufbar
ich.
Oder auch nicht.
Oder mehrere.
Ich: Fehlermeldungen.
Fehlerprotokoll.
Widerspruch